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Keine ausreichende Krankenversicherung und undurchsichtige Lohnzahlungen

Der Jahresbericht „Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ 2022 listet erneut viele Arbeitsrechtsverletzungen auf

Die Initiative Faire Landarbeit hat am 03.02.2023 ihren neuen Jahresbericht veröffentlicht: Intransparente Arbeitszeiten, fehlende Kontrollen, schlechte Krankenversicherungen, Arbeiten bei starker Hitze ohne Schutz, das sind oftmals die Bedingungen, unter denen die Saisonbeschäftigten aus dem Ausland bei uns arbeiten müssen. Dabei pflücken sie für uns die Erdbeeren, stechen den Spargel, lesen den Wein und verpacken Obst und Gemüse.

Die Initiative Faire Landarbeit ist ein Bündnis des Beratungsnetzwerks „Gute Arbeit“ von Arbeit und Leben, der gewerkschaftsnahen Beratungsstellen Faire Mobilität, dem Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen, der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sowie weiteren Organisationen. Seit dem Jahr 2018 erscheint regelmäßig der Jahresbericht zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft.

Der Jahresbericht zitiert auch Erkenntnisse aus zahlreichen Feldbesuchen und Einzelfallberatungen unseres Beratungsnetzwerkes Gute Arbeit:

Dr. Katarzyna Zentner, Beratungsstelle für mobile Beschäftigte in Hannover, Arbeit und Leben Niedersachsen erzählt von einem Fall illegaler Lohnabzüge von Geflüchteten aus der Ukraine:

"Anna V., Vassily P. und Andrej V. berichten uns, dass sie direkt aus dem Grenzgebiet zwischen der Ukraine und Polen nach Niedersachsen gekommen sind und dass sie hier 12–14 Stunden pro Tag bei der Erdbeer- und Heidelbeerernte gearbeitet haben. Andrej war zum Zeitpunkt der Erntearbeit minderjährig. Die Stundenzettel wurden ihnen von der Landwirtin weggenommen, sodass sie keinen Beleg über diese langen Arbeitszeiten haben. Sie haben auch keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten und verfügen über keine Bescheinigung ihrer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Da Anna, Vassily und Andrej kein Deutsch sprechen, hatte die Arbeitgeberin ihnen zugesagt, diese Dokumente für sie zu beantragen, dies aber nicht getan. Auf die mehrfache Rückfrage der jungen Beschäftigten aus der Ukraine reagierte sie aggressiv. Als sie nach zwei Monaten das Arbeitsverhältnis beendeten, zog die Landwirtin Anna, Vassily und Andrej von dem ohnehin sehr niedrigen Lohn zusätzlich jeweils 300 Euro ab. Die Begründung: Sie hätten illegal gearbeitet, und sie als Arbeitgeberin müsse dieses Geld zurückhalten, falls eine Strafgebühr fällig werde.

Wir rufen daraufhin als Beratungsstelle die Arbeitgeberin an. Auf unseren Druck hin ist sie schließlich bereit, die einbehaltenen Löhne auszuzahlen. Nach wenigen Wochen erhalten Anna, Vassily und Andrej die ausstehenden Summen. Diesmal jedoch wurde ihnen für die private Gruppenkrankenversicherung jeweils 50 Euro abgezogen."

Gewerkschaften: Keine Beschäftigten zweiter Klasse!

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel kommentierte den Jahresbericht 2022 anlässlich seiner öffentlichen Vorstellung auf einer digitalen Pressekonferenz: „Objektive, verlässliche Zeiterfassung ist gerade da unverzichtbar, wo prekäre Beschäftigung ohnehin schon große Risiken der Ausbeutung birgt. Wenn Arbeitszeit nicht erfasst wird, können Zoll und Arbeitsschutzbehörden nicht kontrollieren, ob Rechte von Beschäftigten eingehalten werden. Das gilt umso mehr für Saisonarbeit, bei der die Abrechnung von Akkordarbeit zusätzliche Intransparenz schafft. In der Landwirtschaft müssen endlich mehr Betriebskontrollen stattfinden. Faire Arbeit, menschenwürdige Unterkünfte und Lückenschluss bei Kontrollen – das muss für diese Bundesregierung für die Erntesaison 2023 oberste Priorität haben.“

Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG BAU ergänzte: „Unsere Forderung ist klar: Kurzfristig Beschäftigte in der Landwirtschaft müssen in Deutschland Anspruch auf den vollen Krankenversicherungsschutz haben, sie dürfen keine Beschäftigten zweiter Klasse sein."

Der gesamte Bericht ist hier frei als PDF-Dokument verfügbar:
https://igbau.de/Binaries/Binary18586/InitiativeFaireLandarbeit-Saisonbericht2022-A4-web.pdf

 

Schlechte Arbeitsbedingungen und harte Arbeit, Bedingungen unter denen Saiosnbeschäftigte leiden