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Ist Demagogie ein fester Bestandteil unserer aktuellen Zivilgesellschaft?

Arbeit und Leben MV und VHS-Landesverband MV veranstalteten hochkarätige Fachkonferenz in Stralsund

Thomas_Kruger_und_Vivian_Perkovic.jpegThomas Krüger und Vivian PerkovicAm 25.11. 2016 fand in Stralsund die Fachkonferenz zum Thema: „Ist Demagogie ein fester Bestandteil unserer aktuellen Zivilgesellschaft?“ statt. Arbeit und Leben e.V. Mecklenburg Vorpommern, gemeinsam mit dem Landesverband der Volkshochschulen MV, versammelte dazu hochkarätige Experten und Politiker, die in ihren Beiträgen aus verschiedenen Perspektiven das Thema hinterfragten.

Eine Fernsehproduktion des Bayrischen Rundfunks zu der Hetzschrift „Mein Kampf“ diente den Veranstaltern als Katalysator. Ist es möglich, die Wurzeln der Hassideologie in „Mein Kampf“ von 1925 und die gegenwärtige Wiederbelebung der menschenverachtenden Gedankenwelt zu erfassen und welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen?

Mathias_Brodkorb_Finanzminister_MV_im_Vortrag.jpegMathias Brodkorb, Finanzminister MV im VortragDer DGB Regionalgeschäftsführer Vorpommern, Volker Schulz, begrüßte die Teilnehmer mit einer sehr persönlichen Rede, in der er sich auf seinen Vater, Vertreter der Kriegsgeneration, und das tiefsitzende Trauma dieser Generation, sowie die daraus resultierende eigene Verantwortung berief. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), verwies in seinem Beitrag auf die Selbstverantwortung jedes Einzelnen sich mit der Gesellschaft kritisch auseinanderzusetzen. Er stellte die aktuelle Strategie der bpb im Umgang mit Populismus vor. Dabei deutete er auf die Bedeutung der „social media“ Netzwerke hin. Es sei, so Krüger, derzeit von einem Anteil von 10-15 % der Gesamtbevölkerung auszugehen, der sich demokratischen Grundwerten verweigert und auch durch neue Bildungsformate nicht mehr erreichbar ist. Trotzdem setzt er auf Kommunikation. Seiner Meinung nach müsste weiterhin das direkte Gespräch mit Menschen, die sich in „Wutmails“ gezielt an Politikerinnen und Politiker wenden, gesucht werden.

Im Programm der Tagung folgte der Regisseur Klaus Gietinger, der auf die Verwendung demagogischer Äußerungen im gegenwärtigen politischen Alltag einging. Christian Nestler, Wahlforscher an der Uni Rostock, analysierte das Wahlverhalten der Parteien und der Wählerinnen und Wähler der letzten Landtagswahl in MV nach politischen Aussagen und ihrem populistischen Gehalt. Der Finanzminister von MV, Mathias Brodkorb, hielt ein sehr engagiertes Plädoyer für die Behandlung von „Mein Kampf“ im Schulunterricht und machte allen Beteiligten Mut im Umgang mit dem Mythos Adolf Hitler. Sein Credo: keine Angst in der offenen Auseinandersetzung mit Hass, Demagogie und Rassismus. Der Finanzminister warnte vor einer Verklärung dieses Phänomens, indem man dieses Thema ausschließe.

Dr. Roman Töppel, Historiker und Mitherausgeber der kommentierten Fassung von „Mein Kampf“ befasste sich mit der menschlichen Dimension der Naziherrschaft. Die Nationalsozialisten konnten ihr System nicht ohne die Akzeptanz/Mitwirkung der „einfachen Bürgerinnen/Bürger aufrechterhalten. Schon damals stellte sich die Frage nach den moralischen Grenzen für den Einzelnen, Pflichtbewusstsein/Ignoranz versus Eigenverantwortung?

In einer abschließenden sehr engagiert geführten Diskussion wurde noch einmal die Frage aufgeworfen, ob die Auseinandersetzung mit den 90 Jahre alten Texten in der Gegenwart uns weiterhilft. Das Buch ist nur eines von vielen, die Adolf Hitler geschrieben hat. Der Text ist schwer verdaulich. Aber der reaktionäre Geist lebt. Das zeigt sich aktuell am Vormarsch rechter politischer Bewegungen in Europa, Asien und Amerika insbesondere im ländlichen Umfeld. Dabei spielt in der öffentlichen Debatte die Ablehnung wissenschaftlich und historisch erwiesener Fakten eine zunehmende Rolle. Kann man hier vom „Postfaktischen reden?“

In der Diskussion wurde der Begriff von vielen als alter Wein in neuen Schläuchen angesehen, oder eine neue Schublade versucht etwas in eine medial verwertbare Form zu bringen. Im Ergebnis bestand Übereinstimmung, neue Wege in der politischen Auseinandersetzung zu finden. Demokratie ist kein fertiges Produkt, sondern ein Prozess, der die Mitwirkung aller braucht. Politik und die Verwaltung müssen die Rahmenbedingungen schaffen, in der die Mitwirkung ermöglicht werden kann.

Wir befinden uns in einem globalen Umbruch, in dem Demokratie und damit verbundene Werte sich behaupten müssen. Das wird nicht ohne Auseinandersetzungen gehen. Es bedarf grundlegender Befähigungen der mündigen Bürger, um diese Konflikte erfolgreich auszutragen. Eine wehrhafte Demokratie ist nicht ohne kritische, kompetente und selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger zu haben.

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