Die Gewinner des "Preis Politische Bildung" im Fokus
Erfolgreiche Politik in einer Stadt, die eigentlich gar nicht existiert, Langzeitarbeitslose die mit PolitikerInnen auf Augenhöhe sprechen und ein BarCamp in Weltpremiere – fünf Laudatoren und Laudatorinnen würdigen außergewöhnliche Projekte
Aus 200 Bewerbungen waren sie ausgewählt, mit insgesamt 15.000 EUR Preisgeld bedacht worden. Doch was macht die fünf Gewinner des diesjährigen „Preis Politische Bildung“ aus? Wodurch konnten sie die hochrangig besetzte Fachjury überzeugen? Fünf Laudatoren, darunter Theo W. Länge und Barbara Menke vom Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben, geben die Antworten.
Hier einige Eindrücke von der Preisverleihung ...
1. Preis
Ein Projekt, welches „die Menschen ganz nah an das, was Politik sein kann, herangeführt hat“, wobei es „immer wieder die Form von Realität“ überspringt. So beschreibt Laudator Lutz Stroppe, Leiter der Abteilung Kinder und Jugend im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Träger des 1. Preises.
Es ist das Projekt „PARLAMENT- Kommunalwahlen in Słubfurt" des Vereins Slubfurt e. V., das sich mit der Identitätsbildung und der bürgergesellschaftlichen „Selbstgestaltung" eines grenzüberschreitenden Stadtraumes mit zwei unterschiedlichen Sprachen, Gesellschafts- und Denksystemen auseinandersetzt. Slubfurt, eine Stadt, die es auf der Landkarte nicht gibt, weil sie zur Hälfte in Deutschland und Polen liegt, in der es im Preisträgerplanspiel jedoch ein Parlament, Parteien, Wahlen und eine äußerst engagierte Bürgerschaft gibt.
Stroppe führt weiter aus: „Ich habe gehört, dass es bei den Kommunalwahlen, die durchgeführt wurden, und die Teil dieses Planspieles sind, es mehr Bewerber gegeben habe, als bei den wirklichen Wahlen in Frankfurt/Oder. Das mag ein Gerücht sein, aber es würde nur dafür sprechen, wie erfolgreich dieses Projekt gewesen ist und wie erfolgreich es insgesamt aufgegriffen worden ist. […] Es wurde deutlich, dass dieses Projekt Spaß und Freude gebracht hat und die Menschen ganz nah an das, was Politik sein kann, herangeführt hat: Nämlich, sich mit Freude, mit Argumenten und vor allem mit großem Einsatz in die politischen Debatten hineinzubegeben und von den eigenen Ideen zu überzeugen. […] Deswegen meinen herzlichen Glückwunsch und meine große Anerkennung für diese hervorragende Leistung in den letzten Jahren.“
2. Preis
Theo W. Länge, ehemaliger Vorsitzender des bap und Laudatorfür das Projekt „Politik trifft Hartz IV. Neue Verbindungen wagen“ betont in seiner Lobrede sowohl „, die schwierige Themenstellung’“ des Projektes „und seine , Enttabuisierung’“ als auch „die Gewinnung einer Vielzahl von Teilnehmenden aus arbeitsmarktintegrativen Projekten, also denjenigen Menschen, die am dringendsten Anschluss und Verbindungen brauchen.“
Der Projektträger Nell-Breuning-Haus in Herzogenrath hatte neben anderen Projektbausteinen erreicht, dass im Rahmen des Projekts rund 200 Langzeitarbeitslose auf „Augenhöhe" mit Politikerinnen und Politikern über die Folgen der Arbeitslosigkeit diskutierten.
Der Laudator fährt fort: „Das Projekt behandelt also ein sensibles und schwieriges sozial- und arbeitsmarktpolitisches Thema und übersetzt die ins Auge gefasste zentrale Frage , Was meint eigentlich eine umfassende Veränderung der Lebenslagen von Menschen, die in ihrer Existenz dauerhaft bedroht sind’ in die politische Bildung mit dieser Zielgruppe. […] Beruflich wie gesellschaftlich: raus aus der Isolation und weg von jahrelanger Enttäuschung. Offensichtlich ist es mit dem Projekt gelungen, , die Isolation’ zu durchbrechen und die Situation von Langzeitarbeitslosen sichtbar zu machen. , Demokratie ist, wenn Raum bleibt, Erwartungen zu korrigieren’, so schrieben es die Projektverantwortlichen in ihrer Bewerbung. Dieser Feststellung der Projektinitiatoren kann die Jury nur beipflichten.“
Theo W. Länge beschließt seine Laudatio mit den Worten: „So bleibt am Ende nur ein herzlicher Glückwunsch an das Nell-Breuning-Haus und alle an dem Projekt Beteiligten für diesen auch dotierten Preis, den das Projekt , Politik trifft Hartz IV. Neue Verbindungen wagen’ heute erhält.“
Sonderpreis
Barbara Menke, Mitglied im bap-Vorstand und Laudatorin des Sonderpreises erläutert die Entscheidung der Jury für dieses innovative Projekt in Form eines sogenannten „BarCamps“. Es sei dem Träger des Projektes „, gelungen, mit dem Format des GenderCamps neue Zielgruppen für die politische Bildungsarbeit zu gewinnen’.“
Das "Gender Camp 2010" des ABC Bildungs- und Tagungszentrums e.V., Drochtersen stellt das weltweit erste BarCamp zum Thema Geschlechterverhältnisse und Netzpolitik dar. Bei BarCamps handelt es sich um offene, im Netzwerk konzipierte Tagungen, deren Inhalte und Ablauf von den Teilnehmenden selbst bestimmt werden.
Die Laudatorin hebt dabei hervor: „Der Ansatz, BarCamps mit Themen der politischen Bildung zu vereinen und dann dieses Format in einer , klassischen Bildungsstätte’ durchzuführen, ist neu und weltweit war dies das erste BarCamp zum Thema , Geschlechterverhältnisse und Netzpolitik’. […] Dabei ermöglichte die offene Struktur des GenderCamps einen Bildungsansatz, der es sehr präzise möglich macht, an den Interessen und Kenntnisständen und Motivationslagen der Teilnehmerinnen anzusetzen. Die vielfältigen Lern- und Arbeitsformen, die weitgehend selbstbestimmt eingesetzt wurden, machten es möglich, intensiv inhaltliche Schwerpunkte zu bearbeiten. Ein anspruchsvoller und nachhaltiger Ansatz. Wir meinen, dass zu einem verantworteten Umgang mit dem ‚Netz’ und seinen vielfältigen Anwendungsformen solche BarCamps beitragen können und somit die politische Bildungsarbeit um eine weitere Fassette bereichern.“
Barbara Menke unterstreicht in ihrer Laudatio zudem die wegweisende Rolle, die dieses Projekt im Einsatz von Social Media in der Politischen Bildung hat.
Sonderpreis Medien
„Angesichts der Bedeutung von Medien im Zusammenhang von Web 2.0 und Partizipation sollte es nicht überraschen, dass die Jury noch ein weiteres Medienprojekt ausgezeichnet hat“, so Lothar Harles, Vorsitzender des bap und Laudator des Projekts „Radio Corax“ während der Preisverleihung.
Das gemeinnützige Radioprojekt sei zwar „keine Bildungsveranstaltung, als ein nicht-kommerzielles und gemeinschaftlich organisiertes Projekt, will es aber in ihrem Format eine größtmögliche Zahl und Vielfalt an Menschen dazu befähigen, sich mit ihrer ganz eigenen Stimme, mit ihren Lebenserfahrungen und Interessen, öffentlich zu artikulieren und gesellschaftspolitisch zu engagieren.“
Am Radioprojekt des Vereins Corax e.V. aus Halle beteiligen sich Menschen unterschiedlicher altersgemäßer, sozialer und kultureller Herkünfte um sich über das Medium Radio Gehör zu verschaffen, 24 Stunden täglich zwischen Leipzig und Magdeburg. Der bap-Vorsitzende beschreibt weiter: „Das Radio versteht sich als Übersetzer von Gedanken in öffentliches und politisches Handeln - und gibt die öffentlichen und politischen Reaktionen in Halle und Umgebung wieder zurück in diese Überlegungen. […] Radio CORAX kann mit seinem breit angelegten Ansatz sowohl was Themen als auch was Zielgruppen anbelangt Erfolge verbuchen. […] Dies spricht nicht nur für mediale Kreativität, sondern auch für ein engagiertes Mittun. Ein lebendiger Prozess. Oder um es mit den Worten von Radio CORAX zu umschreiben: ein Demokratie- und Diskurslabor – direkt, gemeinsam, kritisch, reflexiv – veränderbar. Wenn Sie mehr über diesen Sender wissen wollen, dann hören Sie einfach mal rein. Er kann über das Internet empfangen werden.“
Medienpreis
„Der Spartenkanal PHOENIX beweist mit seinen Projekten ‚PHOENIX-Politiker-Speed-Dating’ und ‚Schlichtungsgespräche zu dem Bahnprojekt Stuttgart 21’ eindrücklich, dass interaktive Bürgerbeteiligung über die vorhandenen Medienstrukturen möglich ist.“ Laudator Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb macht in seiner Rede gleich deutlich, wie bemerkenswert in den Augen der Jury die beiden Projekte des Senders PHOENIX sind.
Er unterstreicht die Leistung des Projektes zu Stuttgart 21 mit der Aussage: „Dass das öffentliche ‚Demokratie-Experiment’, die Schlichtungsgespräche zu ‚Stuttgart 21’, geglückt ist, ist nicht zuletzt ein großer Verdienst des Fernsehsenders PHOENIX, der mittels seiner Berichterstattung das vorhandene Informationsdefizit in der Bevölkerung ausgeglichen hat.“ Krüger stellt zudem fest: „PHOENIX zeigt beispielhaft, dass Medien partizipativ wirken, wenn sie gesellschaftlich relevante Phänomene aufgreifen und ihren Beitrag dazu leisten, komplexe Strukturen transparenter zu machen. […] Beispielhaft und innovativ ist auch das zweite Projekt, für das PHOENIX den Medienpreis verliehen bekommt. […] PHOENIX hat das Konzept des Speed-Datings übernommen und hat Bürgern ein Jahr nach der schwarz-gelben Regierungsbildung die Möglichkeit gegeben, bei den gewählten Volksvertretern direkt nachzufragen. […] Die Jury war der Auffassung, dass das Konzept des Speed-Datings auf die Politik anzuwenden und Bürger und Parlamentarier zu einem ‚Politker-Speed-Dating’ zusammenzuführen, eine gelungene und unkonventionelle Form politischer Auseinandersetzung ist.“
Weitere Informationen zum Preis finden Sie im Internet unter: www.bap-politischebildung.de